Wir schreiben den 22.03.2021, es ist 21.20 Uhr und ich beginne, diesen Text zu schreiben, als ich auf Frau Merkel und ihre neuen Regeln warte. Die Situation ist unübersichtlich, denn die letzten Wochen wirkten Maßnahmen und Schwellwerte verhältnismäßig willkürlich festgelegt. Ob wir zuhause bleiben, für ein Click and Collect in die Stadt dürfen oder sogar bis Mallorca reisen: Ich habe in den letzten Tagen das Gefühl der Wirksamkeit verloren, denn nach 12 Monaten Inzidenzen checken wurde die so oft als wichtig hervorgehobene Verbindung zwischen Ansteckungszahlen und Regelwerk aufgeweicht.
Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, habe nicht so viel geschlafen, lange Gespräche geführt, über den Büchern für meine Abschlussarbeit gebrütet und bin dem geplanten Schreibstart doch noch einmal entkommen. Ich muss meinem Dozenten dringend eine Mail schreiben, das schiebe ich seit Tagen vor mir her. Immerhin hat mein Vater gestern die Studiengebühren überwiesen: 18 Hochschulsemester und nicht einmal ohne Mahnung dieses Geld verschickt, das ist doch eine Form von Verlässlichkeit.
Ich suche nach Verbindungen zu Menschen, Gesprächen, Themen und einer positiven Zukunftsidee, fühle mich nach einem Jahr Ausnahmezustand inzwischen umfassend isoliert und taub. Meine Widerstandsfähigkeit ist gering, ich ringe um Übersicht und bin gestresst, weil ich sie nicht finde. Alle schreien sich an, zwischen Emotion und Handlung liegt kein Bewusstsein mehr, die Wut verkauft die seltsamsten Ideen plötzlich als Wahrheit. Ich erkenne mich in nichts mehr wieder, das sind Tage voller Heimweh und warten auf eine gute Nachricht, ehrliche Perspektiven, belastbare Gespräche oder wenigstens die Aussicht auf irgendwas davon, auf Hoffnung und Verbindlichkeit. Jetzt ist es 21:34 Uhr, auf Twitter steht, dass die Konferenz, deren Ergebnis alle neugierig sind zu erfahren, seit drei Stunden unterbrochen ist. Vielleicht sollte ich einfach schlafen gehen.
