„Hast du dich mal gefragt, wie es einer Schlange geht, die sich nicht häuten kann? Stell dir vor, du steckst in deiner alten, abgenutzten Haut, für die du viel zu groß geworden bist. Alles kneift und es ist eng und ungemütlich, aber du kannst sie nicht abwerfen, denn deine neue Haut ist noch nicht gewachsen. So musst du dich in der ertragen, die dir nicht passt und die nicht mehr gut aussieht. Steine wären genug da, an denen du sie einreißen und abstreifen könntest. Ein kleiner Schnitt kurz über den Lippen und dann legst du deine Sinne wieder frei, aber du stündest ohne Haut da. Noch nackter als ohnehin schon, schließlich ist da nur die Haut, die dich einhüllt.“
Schlangen scheren mich nicht, denn ich bin hungrig und das Brot in das ich gerade beißen wollte, liegt mit der Butterseite nach unten auf meinem Küchenboden. Ich fühle mich dreckig, müde und alleine nachdem ich mir eben diesen Porno angeschaut habe. Dreckig weil’s eklig war, müde, weil ich mich gefickt habe und allein, weil ich sonst keinen Porno gesehen hätte.
Draußen lässt die Sonne die ersten Strahlen am Horizont lecken und die Silhouette der Windmühle kurz hinter dem Feld lehnt sich träge an den Waldrand. Wenn etwas schön sein könnte, dann wäre es dieses Bild.
„Weißt du noch, als ich deine Verliebte war? Du hast mir davon erzählt, dass du das Geräusch von schnell fahrenden Zügen so gerne hörst und ich habe mich dabei ertappen müssen, wie ich lieber den Umweg an den Schienen entlang gegangen bin, nur um dasselbe zu tun wie du, wenn du dich wohl fühlst. Stell dir doch nur einmal vor, wie es jemandem gehen muss, dessen Verliebter ihm sagt, dass seine größte Leidenschaft der Staub ist! Oder Spinnennetze? Er könnte ja gar nicht anders, als komplett einzustauben und sich einweben zu lassen von Träumen für den Verliebten. Ich mag das Geräusch von Zügen übrigens nicht, es macht mich unruhig. Ich habe Angst vor diesen Maschinen.“
Ich will mich nicht mehr erinnern. Lieber drehe ich die Musik lauter, dass ich meine Gedanken nicht höre. Ich mache rote Abdrücke, als ich über die Dielen zum Schlafzimmer gehe. Ich habe die Scherben nicht aufgehoben nachdem mir deine Tasse runter gefallen ist und mich eben an ihnen geschnitten. Scherben bringen Glück, vielleicht ja auch mir und die Wunde entzündet sich, sodass mir der Fuß am meisten weh tut. Das wäre schön.
Die Blätter haben sich ganz leicht gemacht um sich vom Wind hoch heben zu lassen. Wahrscheinlich kann man die kleinen Hände nur nicht sehen, an denen sie sich fassen, um einander nicht verloren zu gehen, wenn sie über dem Garten wehen.
„Ich habe viele Gedanken über dich. Sei bitte vorsichtig, wenn du sie dir anschaust, denn sie waren teuer und sind sehr zerbrechlich. Wie Zuckerglas, schlicht nicht so süß. Eher bitter oder herb, was nicht heißt, dass ich dich nicht liebe. Aber nur weil ich dich liebe, kann ich mir nicht verbieten, dich manchmal zu hassen. Das ist gut, denn so bist du überall in mir. In dem Teil, der hasst, in dem Teil, der liebt und in dem Teil, der begehrt.“
Du sollst aber nicht überall sein. Am besten sollst du jetzt nirgendwo sein. Zumindest für mich.
Die Musik spielt sich wie eine Laufmasche unmerklich weiter und ich nehme mir vor, nie wieder ein Lied mit jemandem zu verbinden, schließlich verleidet einem das doch nur die Musik.
Ich beiße auf Staub, Sand, Erde und einem Brei und Teig und Butter. Ich schmatze laut, auch wenn ich kotzen könnte, wenn ich dieses Geräusche höre.
Draußen atmet die Natur noch einmal tief ein, um genug Luft für ihren täglichen Tanz zu haben. Meine Füße tun mir weh.
„Ich habe mal einen Traum von dir geschenkt bekommen. Du warst so schön, als du nur so da standst und dir selbst den Rücken gekrault hast, im Gegenlicht. Deine Beine waren nackt und du warst barfuss. Davon habe ich geträumt: Von dir, wie du auf einem großen Schiff stehst, dessen Segel ohne Masten über ihm schweben und sich einfach nach dem Wind drehen. Und du stehst nur da und streichelst dir so umständlich den Rücken. Ich konnte dich nicht anfassen, denn ich war der Seegang und trug das Schiff in der kleinen Kuhle direkt über der Wirbelsäule. Und trotzdem konnte ich dich sehen.“
Ich glaube nicht, dass du mein Geschenk brauchst. Überall in meinem Körper rumort es und ich will platzen, weil ich unbedingt jemandem sagen möchte, dass ich ihn liebe. Und der soll das dann auch nötig haben, dass ich ihn liebe. Oder mit wem knutschen, das wäre jetzt auch gut. Am besten im Gras liegen, einen Menschen im Arm, der gerade schön ist und ihn küssen dürfen.
Fast durchsichtig ist der Mond noch am Firmament geblieben, um zu beobachten, was passiert, wenn das Licht der Nacht nicht mehr gebraucht wird.
„Wie soll ich dir vertrauen können, wenn ich mir nicht einmal selbst vertrauen kann? Wenn mein Geist meinen Körper nicht voll ausfüllen kann? Warum sonst, habe ich Angst, wenn ich so dicht an den Schienen entlang gehe? Doch nur, weil ich auf einmal alles kaputt machen könnte: Meine Beine, meine Arme, meine Zehen, meinen Kopf. Alles zermalmt und zermahlen von einer Lokomotive aus Stahl und Krach und Hitze.
Aber vielleicht ist es auch nicht mein Körper, der die Lock gefährlich macht, sondern mein Geist, der wissen will, wie es sich anhört, wenn das Fleisch unter den Rädern weich wird. Vielleicht ist es die Angst, dass mein Körper der Neugier nachgibt. Dem Lechzen nach dem, was anfängt, wenn es vorbei ist.“
Eben wäre es mir genug, wenn ich geliebt würde. Vertrauen brauche ich später. Nur, dass mich jetzt jemand umarmt und mir sagt, das alles gut wird.
Heute finde ich mich hässlich. Ich bin picklig, ungewaschen und unrasiert. Wenn ich mir zwischen die Beine greife, merke ich nur, dass ich wärmer bin als ich mich fühle.
Ich mochte mich mit Glatze. Ich mochte auch dich mit Glatze. Ich stand drauf, dass da so viel rauer Widerstand auf deinem Kopf war, als sie wieder etwas gewachsen waren. Es war geil, meine Hand direkt an deinem Schädel zu haben, so nah an deinem Hirn. Ich hätte gerne einmal reingeschaut, nur um sicher zu gehen, dass dort tatsächlich der Mensch ist, den ich vor mir habe.
Ich will mich nicht mögen, fasse mir unter die Achsel, kneife mich und halte mir die Finger unter die Nase. Ich rieche nach Stress.
Am Himmel wird eine Wolke von Sonnenstrahlen geteilt, die sich fast schon warm ihren Weg auf den kalten Boden bahnen. Der Wind treibt die beiden Hälften wieder zusammen und bannt die Sonne hinter den grauen Vorhang.
„Ich hatte oft das Gefühl, dass wir auf einem Sprungbrett standen: Über uns blauer Himmel, unter uns der freie Fall und dann ein Becken voll Leben. Vielleicht kaltem Leben, oder warmen Leben, vielleicht voll mit Leben, das zu tief für uns ist, oder einem Leben, dessen Rand soweit weg ist, dass wir ihn nicht rechtzeitig erreichen würden, ehe wir ertränken. Wir stehen oben, halten einander die Hände und sind trocken. Bis auf den Schweiß, denn es ist heiß. Wir sind nackt vor uns. Wir haben keine Angst vor dem Sprung, denn das kribbelte nur und zöge am Zwerchfell. Wahrscheinlich würden wir schreien und uns, wenn wir könnten umarmen, während wir fielen. Aber dann käme das Leben und da wollen wir nicht rein. Lieber schwitzen wir dort oben, verpassen das Kribbeln im Fall und lassen unsere Haut von der Sonne erst warm und dann rot machen.“
Ich bin nicht schwindelfrei und habe nie gedacht, dass ich mich je so hoch trauen würde.
Die kleine Öse wurde zu weit nach hinten geschoben und der Gummizug meiner Jogginghose drängt sich eng an meinen Bauch, der etwas über den Bund quillt. Ich ziehe die Hose aus, setze mich und schaue auf meine Oberschenkel, die seltsam konturlos wirken. Ein komisches Gefühl, wenn mir bewusst wird, in was für einem hässlichen Körper ich manchmal stecke.
Als ich mich zurück lehne, stoße ich eine halb leere Flasche um, deren gegorener Inhalt sich langsam über das Polster ausbreitet. Ich lege ein Taschentuch darauf, um mich später noch daran zu erinnern, mich nicht auf den nassen Fleck zu setzen.
Der Wind hat die Bäume gerade zum Tanzen aufgefordert und fegt ungeniert durch ihre Äste, doch sie bewegen nur bedächtig ihre Kronen und sind zu stolz, als dass sie sich dazu überreden ließen, mit dem Wind zu gehen.
„Ich liebe dich. Ich liebe dich, wenn du bei mir bist und mit mir sprichst. Ich liebe dich, wenn du in Körper und in Seele stichst. Ich liebe dich, wenn du mich berührst und dein Feuer für mich schürst. Ich liebe dich, wenn ich dir trotzdem glaube und würde ich taub, würde ich dich noch lügen hören wollen.
Aber nur solange du da bist, denn bist du einmal fort, kann ich nicht einmal weinen, weil ich trotz Angst und Wut und Traurigkeit viel zu voll mit deiner und mit meiner Liebe bin. Du tust mir nicht gut, du machst so schöne Sachen giftig und spritzt sie mir direkt ins Herz. Mit einer Nadel, die so dünn und so warm ist, dass ich es angenehm finde, wenn du erst sanft mit ihr über meine Brust streichst und sie dann langsam bis zum Innersten führst. Dann gehst du und ich merke erst, dass du es wieder getan hast, wenn du dich das letzte Mal umgedreht hast.“
Ich nehme mir vor, wieder vorsichtiger an dich zu denken. So, als wärst du ein Ballon voll Gas, das ich nicht atmen darf und meine Gedanken wären Reißzwecken, die behutsam über deine Oberfläche streichen.
Ich drehe mich auf die linke Seite und halte die Luft so lange an, bis ich denke, dass die Matratze unter dem Schlag meines Herzens nachgeben müsste. Dann schöpfe ich neuen Atem.
Ich wäre gerne dein Superlativ gewesen, dann würdest du mich nicht vergessen, wenn du alt bist.
Schnee beginnt sich schneien zu lassen. Flocken, die so dick sind, dass sie im schummrigen Licht der Straßenlaternen Schatten auf den Boden werfen, den sie kurz danach berühren um zu schmelzen.
„Du hast gesehen, wie ich deinetwegen alt geworden bin und dafür gesorgt, dass ich wieder jung sein kann. Du hast mir den Schalk in den Nacken gesetzt und ihn gleich danach aus meinem Gemüt gezogen. Ich habe mir für dich verboten, mir zu gehorchen und war in deiner Gesellschaft mehr ich selbst als je zuvor. Ich war nie mit mehr Heimweh zu Hause.“
Ich lächle, denn das Gefühl im Bauch kitzelt mich.
Kannst du mir sagen, ob der Horizont der Anfang des Landes oder der Beginn des Himmels ist? Ich weiß es, aber ich sag´s dir nicht.