Das kann ich auch noch später machen, wenn ich fertig bin damit, nichts zu tun.
Morgen arbeite ich wieder: 9 bis 17Uhr, Mittwoch geht die Uni wieder los und am Donnerstag startet mein neuer dritter Job. Keine klassische, aber eine Vierzigstundenwoche. Ich freue mich nicht, obwohl ich auf die einzelnen Zutaten dieses Lebens einer Erwerbstätigen durchaus Lust habe. Denn ich mag meine Jobs, meine Kollegen und mein Studium irgendwie auch noch.
Und doch: Ich hatte jetzt in der Summe drei Wochen frei. In der ersten habe ich eine Hausarbeit geschrieben, in der zweiten war ich verreist und in der dritten krank. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass ich blaumachend vor mich hinlag. Aber ich konnte schlafen wann und wie lange ich wollte, ich konnte mir meine Arbeitszeit frei einteilen und hatte nun zum Abschluss dieser Zeit ein ganzes Wochenende zur gesunden, ganz freien Verfügung. Klar: Weshalb arbeiten wollen? Aber zu der klassischen Weigerung des frühen Aufstehens gesellen sich weitere, spannende Aspekte, die – so meine Befürchtung – im Verlauf der nächsten Tage wieder verpuffen werden:
Ich habe wieder Ideen. Ich bin kreativ und habe Lust genug, diese Einfälle umzusetzen. Ich habe in den letzten Tagen mehrere Texte und ein Gedicht geschrieben, ein Konzept für ein Projekt erarbeitet und bin voller Drang, es umzusetzen.
Ich träume wieder. Diese entspannten, sinnlosen, schönen Träume, aus denen man mit diesem irritierten Gefühl der Verwunderung erwacht, an der die Frage heftet, ob man wirklich geschlafen hat.
Ich erinnere mich an schöne Details, frühe Kindheitsmomente: Ein bunter Luftballon, Zitronenkuchen im Hof, die weißen Turnschuhe meines Vaters oder dass meine Tante abgegriffene Spielkarten nicht mochte und deshalb zu jedem Urlaub ein neues UNO-Set gekauft hat. Eine Perspektive oder ein bestimmter Farbton stellt diese Verbindung in meinem Hirn her und stimmt mich zufrieden.
Ich fühle mich in meinen Beziehungen wohler, weil ich weniger fordere und meinen Mitmenschen keine alltäglichen Unzufriedenheiten auffangen müssen. Ich bin geduldiger gegenüber den Bedürfnissen, die sie hegen und eine aufmerksamere, empathischere Zuhörerin. Zeigt auch wieder: Niemand in dieser Welt vermag, andere glücklich zu machen. Der Löwenanteil dieser Aufgabe liegt in der eigenen Hand, immer.
Ich gestalte meine Freizeit, weil ich genug davon habe. Ich muss nicht abwägen, ob sich die „Investition“ von Zeit in eine bestimmte Aktivität lohnt: Ich gehe ins Theater, weil ich Lust habe. Im Alltag lasse ich es oft aus der Unsicherheit heraus, die Inszenierung vielleicht nicht zu mögen und deshalb „Zeit zu vergeuden“. Der lange Hundegang ist Muße und Herbstlicht, keine lästige Pflicht mit schlechtem Gewissen.
Nichts zu tun ist erholsam. Ich liege auf dem Bett, schaue aus dem Fenster und kraule den Hund. Keine Serie läuft, kein Podcast spielt. Ich liege dort und tue nichts und es ist toll. Kein schlechtes Gewissen, die Zeit nutzen zu sollen, weil ich von ihr nicht so viel habe: Solltest du nicht lieber putzen? Lesen? Sport treiben? Nein. Das kann ich auch noch später tun, wenn ich fertig bin damit, nichts zu tun.
Ich merke, wann ich Hunger habe und wann ich müde bin. Kein Zeitplan, in den die große Mahlzeit eben nur in dieses Zeitfenster passt. Keine Not, einen Kaffee zu trinken, wenn ich stattdessen ein Nickerchen machen kann. Ein Mittagsschlaf nach einem guten Mittagessen ist pures Gold.
Ich weiß nicht, wie ich wenigstens Details dieser Punkte konservieren kann. Ich würde es so gern, denn es geht mir – trotz Restschnupfen – unglaublich gut gerade. Im Vergleich zu vor vier Wochen hat sich nichts verändert: Ich bin immer noch pleite und das Wetter wird immer noch schlechter. Und dennoch: Es ist gut geworden. Frei zu haben scheint mir eine extrem gesunde Sache zu sein.