Ich trinke auf den Sommer und unsere letzten Tagen. Ich weiß, dass es die Letzten sind, du aber noch nicht und alle anderen auch nicht.
Ich habe das Gefühl, ich wringe mich aus. Meinen Körper und meine Seele. Ich schwitze und ich weine, alles ist nass und trieft und immer noch bin ich nicht verdörrt.
Ich habe einfach keinen Platz mehr für unsere Vergangenheit. Keinen Raum, keine Kraft, keine Luft mehr.
Weißt du, ich glaube, dass die Liebe ein riesiges Regal ist, in das man eigentlich alles stellen kann und sogar muss, um es sich immer wieder anzuschauen. Kleine Splitter, große Bilder, schöne Fotos, mal ein Buch oder irgendeine andere Kunst. Aber in unserem Regal liegen zu viele Steine und das genau in der Mitte der Regalböden. Riesengroße, hässliche, graue, moßüberwucherte Findlinge liegen dort und verziehen das Holz und alle anderen Kleinigkeiten rutschen langsam zu diesen Brocken, docken an und das Moß wuchert und wuchert und irgendwann ist unser ganzes Liebesregal grün und modrig. Das passt einfach in keine Wohnung, in kein Leben und in kein Herz hinein. Zumindest nicht, wenn man kein vermoßtes und verklebtes Herz haben möchte.
Ich habe gedacht, dass das Holz alles tragen könne, aber das ist nicht so und vielleicht hätte ich das nicht immer wieder sagen sollen, wenn ich doch geahnt habe, dass es unter dem Gewicht langsam morsch wird.
Es gibt immer wieder Augenblicke, in denen ich dich mit diesen erdrückenden Lasten bewerfen möchte. Als ich verzieh, dass du schon wieder Steine mitgebracht hast, habe ich sie in unser Regal gestellt und gehofft, dass ich sie irgendwann für Staub halten könnte. Aber wenn du ständig daran vorbei gehst und irgendwie doch nicht umhin kommt, zu wischen und immer wieder auf die Brocken stößt: So richtig geht dieses Verzeihen dann nicht. Zumindest nicht bei so vielen Steinen.
Am allerliebsten würde ich in den Baumarkt fahren und uns ein neues Regal kaufen. Dann würden wir zusammen vor dem alten stehen, wahrscheinlich ein wenig weinen und uns überlegen, was wir behalten möchten und was in den Keller soll. Dann würden die ganzen hübschen Kleinigkeiten in unserer Wohnung sein und der ganze Schund außer Sicht und zumindest vergeben.
Es gibt diesen Keller aber nicht und jedes Paar bekommt nur ein Regal. Damit muss es umgehen und wir haben das nicht geschafft.
Du gehst irgendwie noch davon aus, dass wir das hinbekommen, einen neuen Boden einlegen oder einfach mal ausmisten können. Ich will das aber nicht mehr. Ich will nicht Platz schaffen, um ihn, schneller als mir lieb ist, wieder zu füllen. Und langsam habe ich aufgehört zu hoffen, dass du einfach mal mit leeren Händen vor mir stehst, nur dein Herz auf der Zunge und sagst: Hier bin ich. Und was ist mit dir?
Mein Lieber, mein Geliebter. Denke nicht, dass ich nicht immer wieder gerne auf unsere Zeit schauen werde. Und du weißt ja auch wie das ist: Danach hat man mal eine Scherbe, und dann wieder den liebevollen Guten-Morgen-Brief in der Erinnerung.
Es ist Spätsommer und ich du dringst mir aus jeder Pore, aus meinen Augen, aus meinem Körper. Prost, Liebster! Auf Liebe und Leben.